Dr. Ernst Dieter Rossmann: Europa jung erleben und die Bildungsunion ausbauen

Zu meinen liebsten Terminen in meinem Wahlkreis Pinneberg und den ebenfalls von mir mitbetreuten Wahlkreisen Nordfriesland-Dithmarschen Nord und Steinburg-Dithmarschen Süd zählen regelmäßig Diskussionen mit Schülerinnen und Schülern. Nicht erst in diesem Jahr und wegen der baldigen Europawahl geht es dabei häufig um unsere Zukunft in Europa. Stets ist dabei das Erstaunen groß, wenn ich berichte, dass die SPD bereits vor fast 100 Jahren – in ihrem Heidelberger Grundsatzprogramm von 1925 – das Ziel eines friedlichen solidarischen Deutschland als Teil der Vereinigten Staaten von Europa formuliert hat.

Foto: Team Rossmann

Meine Erfahrung aus den Diskussionen in den Schulen ist, dass unsere Jugendlichen meist wenig Probleme damit haben, zu verstehen, dass die „Mein Land zuerst“-Ideologie keinem Land tatsächlich weiterhilft. Und die jungen Menschen beweisen: Neugier besiegt die Angst! Nicht alles, was anders ist, wird bei ihnen sofort als bedrohlich beäugt.

Als Bildungspolitiker liegen mir natürlich beim Blick auf die Perspektiven eines fortschrittlichen Europa Schule, Ausbildung, Studium und Weiterbildung in der Gemeinschaft besonders am Herzen. Ich setze mich dafür ein, dass alle jungen Menschen in Studium oder Ausbildung die Möglichkeit zu einem europaweiten Austausch bekommen. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der AG Bildung und Forschung habe ich deswegen einige Kernforderungen für eine europäische Bildungspolitik formuliert, aus denen ich einige Fakten und zentrale Forderungen auch mit Ihnen teilen möchte:

Europa jung erleben

    1. Das ERASMUS+-Programm fördert seit 32 Jahren Studienaufenthalte und Praktika in 33 Ländern mit insgesamt über neun Millionen Geförderten; allein 2017 profitierten fast 800 000 Menschen von einem Budget in Höhe von 2,6 Milliarden Euro, darunter 21 000 Personen aus sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen. In Deutschland nutzen das Erasmus + Programm aktuell ca. 100 000 Menschen.
    2. Wir wollen die Zahl der Teilnehmenden am ERASMUS+-Programm auf 12 Millionen verdreifachen und allen jungen Menschen in Europa einen Austausch ermöglichen. Dafür wollen wir die nötigen Finanzmittel im ERASMUS-Haushalt 2021-2027 auf 45 Milliarden Euro verdreifachen. Das ERASMUS+-Programm soll so überarbeitet werden, dass sozial Benachteiligte noch stärker profitieren. Dazu braucht es bessere Informationen und Beratung, Unterstützung bei der Wohnungssuche sowie eine höhere Förderung. Zusätzlich soll schon früh ein besonderer Förderschwerpunkt auf Schülerinnen und Schülern sowie Auszubildenden liegen.
    3. Jedes Jahr nutzen mehr als 350 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ERASMUS+-Programms den programmintegrierten kostenfreien Online Linguistic Support, um ihre Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern.
    4. Wir wollen die Online Linguistic Support-Fremdsprachenkurse an teilnehmenden ERASMUS+-Hochschulen bis 2027 auf alle anerkannten Amtssprachen der EU ausweiten.
  • 27 Prozent aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ERASMUS+-Programms finden bei ihrem Auslandsaufenthalt ihre Lebenspartnerin oder ihren Lebenspartner und Personen, die am ERASMUS+-Programm teilgenommen haben, sind später zu 50 Prozent weniger von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen

 

  1. Wir streben einen Anspruch auf eine europäisch finanzierte Ausbildungsförderung an und wollen den Mobilitätszuschuss ERASMUS+ auf alle 48 Mitgliedstaaten des Europäischen Hochschulraums (EHR) ausweiten. Außerdem wollen wir das Europäische Solidaritätskorps als Nachfolgeprogramm des Europäischen Freiwilligendienstes mit 100.000 verfügbaren Plätzen bis 2020 sowie einem Finanzvolumen von 1,26 Mrd. Euro etablieren.

Die Bildungsunion ausbauen

  1. In Deutschland gibt es heute mit 639 Europaschulen so viele wie nie zuvor, die zusätzlich noch durch drei European Schools ergänzt werden.
  2. Wir wollen ein Netzwerk von Europaschulen in ganz Europa etablieren; Lehrerinnen und Lehrer, die im europäischen Ausland gearbeitet haben, sollen als Europa-Lehrerinnen und -Lehrer eingesetzt werden können.
  3. 17,2 Prozent aller EU-Bürgerinnen und -Bürger im Alter von 20 bis 34 Jahren waren im Jahr 2016 weder in Ausbildung noch in Arbeit.
  4. Wir wollen eine europäische Ausbildungsgarantie mit Rechtssicherheit und entsprechender Förderung.
  5. Im Jahr 2016 gab es in der EU 19,6 Mio. eingeschriebene Studierende.
  6. Wir wollen die Bologna-Konferenz zu einer Europäischen Hochschulkonferenz weiterentwickeln. Diese soll konkrete Maßnahmen vereinbaren, um im Europäischen Hochschulraum die Wissenschaftsfreiheit zu sichern, Bildungsteilhabe zu verwirklichen sowie mehr Mobilität, Austausch und Vergleichbarkeit zu ermöglichen. Die Initiative für europäische Hochschulen begrüßen wir und wollen sie möglichst vielen Studierenden zugänglich machen.
  7. 23,3 Prozent der deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzen das ERASMUS+-Programm im Rahmen ihrer beruflichen Ausbildung.
  8. Wir wollen ein Berufsbildungs-ERASMUS-Programm für mehr Gleichwertigkeit im europäischen Jugendaustausch. Mit einem gezielten Programm wollen wir die Sozialpartner in Europa motivieren, den Austausch zu intensivieren. Außerdem sollen kurzzeitige Aufenthalte für Auszubildende verstärkt gefördert werden.

Auch hierum geht es bei der Europa-Wahl am 26. Mai. Denn nicht nur die Grundfragen der Europäischen Union stehen in Zeiten des drohenden Brexits zur Debatte. Klar ist auch: Die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Jugend ist und bleibt ein Kernmerkmal des Europas der Zukunft. Das sollte uns jetzt alle anspornen, für diese so wichtige Wahl zu mobilisieren und das Europa-Parlament nicht den zynischen Europafeinden zu überlassen.